Lesung unseres Mitglieds Dr. Gonsior anlässlich der Weihnachtsfeier am 16.12.2006

Heute erklingt von überall der Ruf die Verbrechen des II Weltkrieges ja nicht zu vergessen. Die Polen denken hierbei an die grausamen Auschwitz und Dachau?Lager, die BdV-Vorsitzende Steinbach will zum Gedenken der nicht minder schrecklichen Vertreibungen, Internierungen und Deportationen von insgesamt 15 Millionen Deutscher aus den Ostgebieten ein Mahnmal aufstellen. Ich will dem Zeitgeist folgend heute eine authentische Weihnachtsgeschichte aus dem Jahr 1945, die in der Zeitschrift „Unser Oberschlesien“, vor ein paar Jahren erschienen und dem Buch "Haß oder Liebe; „Wir verzeihen und bitten am Verzeihung" von Dr. Richard Werner (Mitglied unserer Kreisgruppe) entnommen ist. Sie, spielt im polnischen KZ Potulitz, Potulitz das Golgota aller Deutschen, die nicht rechtzeitig vor den russischen Truppen und polnischen Besatzern fliehen konnten. Ich lese:

Weihnachten 1945 im polnischen Lager Potulitz.

Die Tage vergingen einer wie der andere bei schwerer Arbeit, Hunger, Schlägen und unfreundlichen Worten. Es kam die Weibnachtszeit. Da wurde es den Häftlingen in Potulitz besonders schwer um's Herz. Heimweh, Erinnerungen an Zuhause und die, dort gebliebenen Angehörigen. Die Lagerleitung organisierte am Heiligen Abend nach dem Mittagessen, das etwas reichlicher als sonst ausfiel, eine Weihnachtsfeier. In der Mitte des Appellplatzes war ein beleuchteter Tannenbaum aufgestellt. Kurze Ansprache des Lagerkommandanten, wie immer über die Schuld der Deutschen und ihre Verpflichtung durch fleißge Mitarbeit die Schäden, welche die Väter und Brüder dar Häftlinge den Polen angerichtet hatten, wenigstens teilweise wiedergutzumachen. Dann wurden polnische "Kolendy" angestimmt, die aber nur von den Milizianten, dem polnischen Aufseherpersonal und nur wenigen Inhaftierten mitgesungen wurden, obwohl der polnische Text auch an die Deutschen verteilt wurde. Kaum jemand aber kannte die Melodie und erst recht nicht den Wortlaut in der fremden Sprache. Alle froren! Anschließend kamen deutsche Weihnachtslieder, aber ohne polnische Übersetzung an die Reihe. Ein wenig merkwürdig mutete das schon an. Aber es summte bei dem Lied: „0 Du Fröhliche“ schon eine ganze Anzahl von Häftlingen mit. Als aber der Refrain kam, der in Polnisch bloß: „Cieszcie sie, o cieszcie sie, chrzescijanie“, platzten erst wenige herein, dann nahmen es immer mehr Stimmen auf und schließlich dröhnte es - o wie schrecklich - in Deutsch über den Appellplatz: Freue Dich, o freue Dich, Du Christenheit'.

Kaum war der Gesang abgeklungen, da setzte der kräftige Bariton von einem älteren Häftling mit dem Lied 'Stille Nacht' ein. Alle sangen mit und der Schluß, 'Christ der Retter ist da', aus tausend Kehlen, in tiefster Not herausgestossen, war deutlich über die Grenzen des Lagerareals bis in den Ort Potulitz zu hören. Keiner fror mehr, jeder fühlte sich versetzt nach Posen, Gleiwitz, Breslau, Krakau, oder sonst wohin, versetzt in ein warmes gemütliche Wohnzimmer mit dem strahlenden Christbaum, versetzt zu den, ach, so vermißten Angehörigen, versetzt in eine schönere Welt voller Freundlichkeit und Liebe, fern vom schrecklichen, grausamen Lagerleben, voll Haß und Grobheit.

Und in dieser Gefühlserregung dachte manch einer der Gefangenen auch an das was geschehen soll, wenn das Lagerleben mal zu Ende gehen wird; jedenfalls nie wieder Gefangenschaft, nie wieder Krieg ! Auch die Milizianten vergaßen für den Augeblick ihren stets zur Schau getragenen grimmigen Gesichtsausdruck, überhörten wie zufällig, die streng verbotenen deutschen Laute und ließen ihre riesengroßen Knüppeln an den Gürteln baumeln und verzogen sich leise und heimlich in ihre Quartiere.

Auch sie sehnten sich nach ihren Familien, Frauen und um den erleuchteten Christbaum mit den versammelten Kindern zu Hause, und dachten:

Nie mehr Lagerleben, nie mehr Krieg,
Frieden auf immer dar!
Und wirklich auch über Potulitz
Christ der Retter war da