Gedenken an den Tag des Selbstbestimmungsrechts und
85 Jahre nach der Volksabstimmung in Oberschlesien

Eine gemeinsame Veranstaltung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und der Landsmannschaft der Oberschlesier Kreisgruppe München am 14.5.2006 im Sudetendeutschen Haus.

Pressemitteilung:

BEIDSPRACHIGE ORTSNAMEN FÜR EHEMALIGE DEUTSCHE OSTGEBIETE

-sb- Mit einer Unterschriftenaktion wollen die Union der Vertriebenen (UdV-Bezirksverband München), die Sudetendeutsche Landsmannschaft (SL-Kreisgruppe München), die Landsmannschaft Schlesien (LS-Bezirksverband Oberbayern) und der Bund der Vertriebenen/ BdV-Sektion Oberbayern sich für den dauerhaften Erhalt der deutschen Orts- und Städtenamen in Polen und Tschechien, der geografischen und kulturellen Benennungen in den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten zusammen mit der geltenden Landessprache einsetzen. Für bzw. in Ungarn ist diese Regelung schon eingeführt. Wie die Initiatoren Johann Slezak, Vorsitzender der Sudetendeutsche Landsmannschaft/ München, CSU-Bezirksrat München-Aubing und Rudolf Maywald, Landsmannschaft Schlesien/ Bezirk Oberbayern, beim 85jährigen Gedenken an die Volksabstimmung und Teilung Oberschlesiens 1921 (14.5.2006, Sudetendeutsches Haus München) darlegten, sollen im deutschen Amtsgebrauch, bei Verlagen, Medien, in allen Dokumentar-, EDV-, Druck-, Buch- und Kartenwerken die jeweiligen Namen beidsprachig bezeichnet werden. Die ADO-Unterschriftenaktion hat bisher rund 5000 Einträge von Personen gebracht, ab 100000 Unterschriften gilt sie verbindlich als öffentliches Anliegen zur Vorlage und Eingabe bei deutschen Bundes- wie Landesverwaltungen. Es soll damit "ein unverfälschtes Geschichtsbild, aber auch die Verbundenheit der Heimatvertriebenen mit den in den ehemaligen Ostgebieten verbliebenen Deutschen im europäischen Konsens" zum Ausdruck gebracht werden.

(Autor Sieghart Brodka):
In Würdigung und Gedenken an die Volksabstimmung und Teilung von Oberschlesien vom 20.März bw. 20.Oktober 1921 bei der Gedenkstunde im Sudetendeutschen Haus München, v.l. Johann Slezak (SL-München), Gertrud Müller, Norbert Gröner, Joachim Wodok (alle LS-Oberschlesien München)

GEDANKEN ZUM GEDENKEN AN DIE VOLKSABSTIMMUNG

vom 20. März 1921 in Oberschlesien von der Vorsitzenden der Landsmannschaft der Oberschlesier in München, Gertrud Müller, anl. des Tages des Selbstbestimmungsrechtes im Sudetendeutschen Haus am 14.05.2006

Sehr veehrte Ehrengäste, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Landsleute und Freunde Oberschlesiens,

aus Anlaß des 85. Jahrestages der Volksabstimmung in Oberschlesien am 20.03.1921 schlug ich Herrn Slezak vor, gemeinsam mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft den heutigen Tag des Selbstbestimmungsrechtes zu veranstalten. Ich bin ihm sehr dankbar, daß er dem zustimmte und wir Oberschlesier hier die Gelegenheit haben, an dieses deutsche geschichtliche Ereignis erinnern zu können.

Mit dem Stimmzettel haben Oberschlesier am 20.3.1921 ein Bekenntnis zu Deutschland abgelegt und die Abtretung der Heimat an das neu entstandene Polen abgelehnt.

Gewiß mit ein wenig Stolz aber vorallem mit der Überzeugung, daß er nicht nur ein wichtiges Datum in der Geschichte Oberschlesiens darstellt, sondern auch ein Teil der Geschichte ganz Deutschlands ist und seine Bedeutung für Europa hatte und hat. Heute mehr denn je. Daraus was in Oberschlesien vor während und nach der Volksabstimmung geschah, damals vor 85 Jahren, daraus hat die Welt bis heute nichts lernen wollen.

Weil wir Oberschlesier mehr von solcher Willkür als jeder andere deutsche Volksstamm am eigenen Leib erfahren mußten, melden wir uns Jahr für Jahr mit der Abstimmungsgedenkstunde zu Wort.
Sie ist für uns so etwas wie ein verinnerlichter Tag der Heimat, an dem uns bewußt wird, daß Heimathaben heute nicht mehr selbstverständlich ist. Die Abstimmungsgedenkstunde ist auch eine politische Manifestation.
Die Volksabstimmung vom 20. März 1921 in Oberschlesien war genauso, wie die im ostpreußischen Masuren ein knappes Jahr früher, ein erster Versuch der Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker und Volksgruppen in Europa. Deutschland hatte zuvor den Ersten Weltkrieg verloren und mit ihm Elsaß-Lothringen an Frankreich sowie den größten Teil Westpreußens und das Posener Land an Polen. Polen aber wollte mehr haben. Das ganze Oberschlesien wollte es für sich haben.
Nach einigem Hin und Her über das noch einiges gesagt werden soll, kam es zur Volksabstimmung über die Zugehörigkeit dieser deutschen Provinz. Sie fiel, wie eingangs schon gesagt, zugunsten Deutschlands aus. Oberschlesien wurde dennoch geteilt. Ein wichtiger und wertvoller Teil wurde abgetrennt und Polen zugeschlagen. Diese Mißachtung und Bruch des Rechtes der Völker und Volksgruppen über ihr gemeinsames Dasein selbst zu entscheiden, waren Muster für ähnliche spätere Schandtaten und für deren Rechtfertigungen durch Stalin, Hitler, Tito, Churchill, Gomulka,Benes, Karadzijc u.a.
Einen Höhepunkt, der mit brutalter Rache vermischten Scheinheiligkeit, stellte die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg dar; die größte Menschenvertreibung aller Zeiten.Die Schaukelpolitik um Oberschlesien am Anfang der zwanziger Jahre des Jahrhunderts hatte die gleichen Wurzeln wie manche Winkelzüge der Politik von heute: Unkenntnis der historischen und realen Situation in den Kriegsgebieten der Welt und die Oberflächlichkeit vieler Politiker. Dabei hängt doch von der Politik von heute, die schon morgen Geschichte ist, das ganz persönliche Schicksal von Millionen von Menschen, eines jeden von uns ab.
Wir Oberschlesier wurden vom Auf und Ab der Geschichte des ganzen Deutschlands aber auch von der besonderen Geschichte unserer engeren Heimqt geprägt. Und die verlief ein wenig anders als die der Hessen, Schwaben , Bayern oder Rheinländer. Der Oberschlesier Entwicklung zu einem eigenständigen deutschen Volksstamnm begann Ende des 12. Jahrhunderts mit der damals einsetzenden deutschen Besiedelung des fast menschenleeren Landes an der Oder.
Deutsche Bauern, Handwerker und Mönche haben es friedlich entwickelt und dem deutschen Kulturraum angeschlossen. Der bald erreichte höhere Lebensstandard und die freieren Bürgerrechte haben Oberschlesien nicht nur für deutsche Siedler, sondern auch für die Slawen aus der Nachbarschaft attraktiv gemacht. Immer, wenn in Oberschlesien größere Menschenverluste durch Kriege oder Epidemien ausgeglichen werden mußten, kamen Fremde ins Land: Polen und andere Slawen.Sie kamen z.B. nach den verheerenden Hussiteneinfällen im 15. Jahrhundert und sie kamen nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges im 17. Jahrhundert.

Mit der rasanten Industrialisierung Oberschlesiens wurde alles anders. Allein in der Zeit von 1804 bis 1910 sind 300 000 Polen auf der Suche nach Arbeit und Brot nach Oberschlesien gekommen. Für diese armen Menschen war Oberschlesien der „Goldene Westen“. Für Oberschlesien war dieser Schub zu groß und eine kaum zu verkraftende ethnische Belastung. Man muß sich vorstellen, was das bedeutet hatte! In den Kreisen Beuthen, Kattowitz, Hindenburg, Königshütte und Tarnowitz lebten im Jahre 1781 nur 12 300 Menschen. Im Jahre 1910 waren es aber schon 835.000. Fast siebzig mal mehr. „Neid kriecht nicht in leere Scheunen. Noch ist Polen nicht verloren, war der Polen Parole vor dem Ersten Weltkrieg, die bis heute aufrecht erhalten blieb. Und Oberschlesien, inzwischen ein reiches Industrieland, sollte zu diesem erstrebten neuen Polen kommen. Dafür wurden alle Register der Propaganda gezogen. Vor nichts schreckte man zurück. Die preußische Verwaltung und der deutsche Staat nahmen das hin. Preußen weil es tolerant trotz seines zeitweiligen Kulturkampfes war. Und Deutschland weil es seinem Osten gegenüber stets zu gleichgültig war.
Leider gab es auch einige Gründe dafür, daß der polnischen Propaganda auch nicht wenige Oberschlesier auf den Leim gegangen sind. Am meisten trug dazu bei die soziale Not großer Teile der Arbeiterschaft. Die Löhne lagen weit unter dem Niveau vergleichbarer Gebiete im übrigen Deutschland, die Wohnungsnot war unbeschreiblich, das Schulwesen wurde mit seinen Aufgaben nicht fertig und die Gleichgültigkeit mancher Industrieller und vieler Grundbesitzer erschreckend und beschämend. Erschwerend für das Deutschtum in dieser angespannten Zeit vor und vorallem nach dem Ersten Weltkrieg war die Unfähigkeit offizieller deutscher Stellen, die Situation des exponierten Granzlandes zu erkennen und politisch klug zu handeln. Die Oberschlesier fühlten sich nicht zu Unrecht von „denen im Reich“ und von „denen die aus dem Reich“ nach Oberschlesien kamen, unverstanden und falsch behandelt.
Zur Entladung der genannten Situation kam es dann nach dem Ersten Weltkrieg als Deutschland besiegt und entkräftet am Boden lag und aller Polen Traum von einem freien Polen in Erfüllung ging. Nach dem Entwurf vom 7. Mai 1919 zum Friedenvertrag von Versailles sollte auch ganz Oberschlesien von Deutschland an Polen abgetreten werden. Natürlich hat sich die polnische Propaganda in Oberschlesien voll hinter diesen Vorschlag gestellt. Nicht aber die deutsche Reichsregierung und das ganze deutsche Volk. Durch Proteste bei den Alliierten und Demonstration en in fast allen Städten der Republik wurden die Engländer beeindruckt. Sie erreichten einen Beschluss der Alliierten mit dem eine Volksabstimmung in Oberschlesien angeordnet wurde. Lloyd George, der damalige Premier von Großbritannien sagte: Zitat: Wir haben Polen , Tschechoslowaken, Jugoslawen befreit und jetzt haben wir die höchste Not, sie daran zu hindern, daß sie nicht ihrerseits andere Rassen unterdrücken“ Zitatende. Albert Korfanty, Nachfahre eingebürgerter Einwanderer aus Polen und seine Anhänger wollten die Volksabstimmung nicht hinnehmen. Er organisierte zwei sogenannte Aufstände , die trotz aktiver Unterstützung aus Polen nach kurzer Zeit zusammenbrachen.
60 % der Oberschlesier stimmten am 20 .März 1921 für Deutschland. Das war ein Schock für die Polen und eine schmerzliche Enttäuschung für die Franzosen an ihrer Seite. Am 3. Mai 1921 begannen die Polen mit dem dritten Aufstand.Doch schon am 21. Mai wurden sie vom oberschlesichen Selbstschutz und von Freiwilligen aus vielen Teilen Deutschlands, vorallem aus Bayern, vom Annaberg gedrängt und in die Flucht gejagt. Mit dem gestoppten deutschen Vormarsch kamen die Waffen zur Ruhe. Nicht aber die Polen und ihre Freunde, die Franzosen. Sie erreichten, daß nunmehr der Völkerbund in Genf über Oberschlesien entscheiden sollte. Und dieser Vorläufer der heutigen UNO in New York beschloß eine Teilung Oberschlesiens. Letztlich haben dann ein Japaner, ein Belgier, ein Spanier, ein Brasilianer und ein Chinese bestimmt, wie Oberschlesien geteilt wird. Gegen das Ergebnis der der Volksabstimmung und gegen alle Grundsätze des Selbstbestimmungsrechts, das ja eines der gelobten Kriegsziele der Allierten war, wurde ein Land geteilt und die jahrhundertealte Bindung der Menschen zerrissen. Und so muß man wohl fragen, ob das nicht schon Vorbild für die Teilung Deutschlands nach dem letzten Krieg und für den Teilungshickhack in Bosnien war und ist. So jedenfalls wurde die Volksabstimmung in Oberschlesien vom 20.3.1921 zu einer Farce. Ein hoffnungsvoller Versuch, das Selbstbestimmungsrecht zur Grundlage des Zusammenlebens der Völker und Volksgruppen zu machen, war gescheitert. Kattowitz stimmte mit 85,4 % für den Verbleib bei Deutschland. Es wurde dennoch den Polen zugeschlagen. Viele deutsche Bürger wurden Opfer einer unverhohlenen Polonisierung. Andere mußten die Stadt verlassen und das Schicksal der ersten Heimatvertriebenen dieses Jahrhunderts teilen. Reichspräsident Ebert, ein Sozialdemokrat alter Schule hatte am Tage der Teilung Oberschlesien in einem Abschiedsgruß an die von Deutschland abgetrennten Landsleute gesagt:“Der trauertag ist angebrochen, den zu vermeiden wir Jahre heiß gekämpft haben. Ein Teil Oberschlesiens wird heute einem fremden Staatsverband einverleibt; ein Teil eines Landes, dessen Unzertrennbarkeit so oft von Staatsmännern und Sachverständigen aller Länder, am meisten aber von den Oberschlesiern selbst betont wurde.
Ein kostbares Stück deutscher Erde, das in jahrhundertelanger Arbeit durch deutschen Fleiß und deutsche Tüchtigkeit zur höchsten wirtschaftlichen Blüte gebracht ist, wird dadurch vom Mutterland gerissen. Und weiter sagte der Reichspräsident: Oberschlesier, die ihr heute von uns scheiden müßt!Euch rufen wir die letzten Abschiedsgrüße zu. Die Gefühle mit denen ihr diesen Tag erlebt, teilt mit euch das deutsche Volk. Oberschlesier die ihr bei uns bleibt, seid gewiß, daß wir euch nach Kräften helfen werden. Oberschlesier in der Schicksalsstunde die euer Heimatland zerreißt und Bruder vom Bruder trennt, reicht euch das ganze deutsche Volk die Hand. Soweit der Reichspräsident mit seiner und des ganzen deutschen Volkes Bekundung der Solidarität mit den bedrängten Oberschlesiern von 1922.
Dr. Otto Ulitz, der langjährige Sprecher unserer Landsmannschaft sagte im Jahre 1964 nach dem Erhalt der Patenschaftsurkunde des Landes Nordrhein-Westfalen über die in der Bundesrepublik lebenden Oberschlesier durch den damaligen Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalens Dr. Franz Mayer: Ich zitiere: Europa wird geboren werden, wenn seine Völker in gegenseitiger Achtung sich zu Europa und zur Anerkennung des Lebensrechtes jedes Volkes und seiner Gruppen bekennen. Die gegenseitige Achtung der Völker ist die Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Nationalität auf dem gemeinsamen Boden der Heimat. Wir deutschen Oberschlesier lieben unser Volk. Wir achten das polnische. Zitatende.

Ihnen liebe Ehrengäste aus der Politik, Ihnen liebe Anwesende möchte ich mein Land, unser Land Oberschlesien erneut ans Herz legen. Das Land unter dem Kreuz mit Menschen, die ihrem Land treu bleiben und blieben. Den Menschen die in unserer Heimat verblieben sind, gehört unser aller Solidarität. Es gäbe Oberschlesien nicht mehr, wären die Menschen nicht in ihrer Heimat verblieben. Bleiben wir weiter mit Baumeister am Hause Europa und laßen wir uns nicht entmutigen, wenn durchaus ernstgemeinte, ehrliche Versöhnungsversuche von polnischer Seite aus mißverstanden werden und Gräben die durch uns zugeschüttet werden von der jetzigen Regierung Polens wieder noch tiefer aufgerissen werden.

Wir fordern heute, 85 Jahre nach der Volksabstimmung in Oberschlesien die politischen Verantwortlichen in unserem Lande auf, ständig darauf hinzuwirken und danach zu streben, vor aller Welt auf die Gewährung der Prinzipien des Völkerrechts und der Menschenrechte auch gegenüber dem deutschen Volk zu dringen. Wir mahnen die Solidarität und die Fürsorgepflicht für die Deutsche Volksgruppe in unserer Heimat Schlesien an.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit und vorallem danke für Ihr Erscheinen und Ihre Solidarität.