Predigt von Pfarrer Konrad Wersch,
anl. der St. Hedwigswallfahrt am 10.Okt. 2004 in Andechs.
Liebe Hörer des Gotteswortes, liebe Verehrer der heiligen
Hedwig. !
Was kennzeichnet unsere Zeit?
Unsere letzten 100 Jahre standen im Zeichen großer Umwälzungen, zweier großer
Kriege, der Vertreibung von Millionen Menschen aus ihrer angestammten Heimat.
Unsere Zeit leidet unter der Beschleunigung , dem rasanten Tempo in der
Wirtschaft, dem Menschenverschleiß und der Rücksichtslosigkeit. Die Denk- und
Lebensweisen haben sich gegenüber den früheren Jahrhunderten erheblich schnell
verändert. Und genau hierin liegt der Grund warum die Menschen heutzutage sich
sehr schwer tun, mit den heutigen Zeitgeschehen fertig zu werden. Sie suchen
Auswege, die letztlich in die Katastrophe führen müsse., Noch mehr Betrieb,
noch mehr Geld, noch mehr Rotation. Und wenn es nicht weitergehen will, dann
Einsatz von Macht und Gewalt, Trennung von Bindungen zur Kirche, Trennung von
Partnern und schlie0ßlich in der Ausweglosigkeit einfach sich das Leben nehmen.
Diese Auswege sind eben Wege, die kennzeichnen, der Mensch von heute leidet
ungeheuer unter Haltungslosigkeit, nicht nur unter Haltungsschäden im
körperlichen, vielmehr im seelischen Bereich. Was kann uns aus dieser Not
retten? Gehen wir zum Heiland. Als Jesus in den Stunden vor seinem Tod mit den
Jüngern zusammensaß, gab er den Jüngern eine Blick in die Zukunft. Er sprach
offen an, was kommen wird, auch wenn es in diesem Augenblick die Jünger noch
nicht glauben wollten. Er sprach vom kommenden Gericht mit der Menschheit, von
fürchterlichen Dingen auf der Erde. Und dann fügte er hinzu, gleichsam als
Hilfestellung, wie man bei aller Unsicherheit und Haltungslosigkeit durchhalten
kann. Er sagte: „Durch eure Standhaftigkeit werdet ihr Euer Leben gewinnen“.
Es tut gut, einmal 800 Jahre zurückzugehen um am Leben der
großen europäischen Heiligen Hedwig zu erkennen, wie sie die keineswegs
geringeren Schwierigkeiten ihres Lebens gesehen und angepackt hat. Hedwig
stammte aus einem mächtigen Adelsgeschlecht.
Als Herzogin von Schlesien, das damals eine Ausdehnung bis fast vor das
Schwarze Meer zeitweilig hatte, lebte sie einerseits in großer Sicherheit wie
wohl keiner von uns. Dennoch wurde ihr Leben von vielen schmerzlichen
Veränderungen geprägt, man könnte sagen, es gab für sie einen gewaltigen
Karriereknick. Hedwig musste Schreckliches erfahren. Mit 20 Jahren verliert sie
ihre geliebte Mutter, 6 Jahre später ihre Schwester Agnes von Meran, drei Jahre
später hört sie vom Tod ihres Vaters, 5 Jahre später hört sie von der
Zerstörung ihres Elternhauses, der Burg von Andechs in Bayern. Hedwigs
Schwester Gertrud, Königin von Ungarn, wird ermordet, ihre Nichte Elisabeth
wird von der Wartburg vertrieben und stirbt im Elend in Marburg. Hedwigs Sohn
Konrad empört sich gegen seine Eltern und bricht sich auf einer Jagd das
Genick. Hedwigs Gatte fällt in die Hände seines Gegners. 1238 stirbt er im
Kirchchenbann unversöhnt mit der Kirche. Und schließlich muß sie noch erleben,
dass ihr letzter Sohn Heinrich 1241 auf der Wahlstatt bei Liegnitz in der
Schlacht gegen die Mongolen getötet wird. Hedwig, die Ahnfrau vieler noch heute regierender Königshäuser Europas
hätte allen Grund gehabt, den Halt zur verlieren Ich frage, wie viele Menschen
heutiger Tage, hatten das
durchgestanden! Hier komme ich auf den Bereich um Hindenburg in Oberschlesien
zurück, wo wir heute sehr viele Selbstmorde haben, oftmals Menschen, die hoch
hinaus wollten oder sich verschuldeten.
Ich höre heute noch die Klagen
der heimatvertriebenen Neißer im Raum Hamburg-Haarburg, die einfach über den
Verlust ihres Hab und Gut nicht hingwegkommen konnten, die den Schmerz des
Todes ihres Angehörigen auf der Flucht nicht verwinden konnten, Menschen, die
sich in der Diaspora so kirchlich entwurzelt fühlten, keine Kirche im Ort, kein
Priester...... Klagen die bis heute reichen. Sagte mir einmal in Kattowitz ein
polnischer ehemaliger KZ-ler:
Wissen sie eigentlich, was wir
Polen im KZ erlebt haben ! Und er schimpfte auf die Deutschen fürchterlich. Ich
dachte, wie kann ich hier helfen! Ich
überlegte, lieber Gott, gib mir jetzt einen Wink. Dann sagte ich: Wissen
sie, was sie erlebt haben, ist
schrecklich gewesen. Und wer ihnen das angetan hat, wird es einmal vor Gott
verantworten müssen. Ich kann Sie aber auch verstehen, weil ich auch im KZ war.
Sie waren von den Deutschen, ich von den Polen eingesperrt. So sind wir Leidensgenossen und könnten uns die Hand
geben. Und er gab sie mir.
Ich weiß, Haltung bewahren ist sehr schwer. Wenn ich aber
tiefer in die Grundhaltung der heiligen Hedwig schaue, kann ich erkennen, was
sie befähigte, ihre schlichen Lebenserfahrungen gut durchzustehen. Was also ist
die Quelle, woher rührt ihre aufrechte Haltung, die das Heilandswort für sie
bedeutete: „In der Standfestigkeit werdet ihr Euer Leben gewinnen“
Nun, Hedwig wusste, es ist gut, im Leben an das Leben des
Herrn zu denken. Es immer wieder zu betrachten. Denn so können wir zur
Vereinigung mit
Gott gelangen. Je inniger die Liebe zu Jesus Christus, umso stärker werde ich
mir auch die ganzen Leiden des
Heilandes zu eigen machen, die mich mit dem Geliebten verbindet. Denken
wir nur, wie mancher Ehegatte immer mehr und besser die Pflege seine
Ehepartners lernte und mitlitt, ja dadurch immer stärker wurde. Die tiefe
Vereinigung mit Jesus hilft mir, die Wut und die Abneigung gegen den anderen zu
bändigen, stiller zu werden. Es hjlft mir, wenn andere mir das Leben schwer
machen, mich an der Hand Jesu führen zu lassen, Schicksalsschläge als Fügung
von Gott zu verstehen, mögliche Wankelmütigkeit zu überwinden.
Wie erlebte Hedwig ihren Mann?, ein jähzorniger Mensch,
von der Habsucht geplagt, sodaß er dieserhalb Kriege anzettelte, ein Mann, der
gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen und nicht die Demut aufbrachte, die
Kirchenstrafe des Bannes durch Umkehr einzuhalten, sodaß er fern der Heimat
ohne Beistand seiner Frau unversöhnt mit Kirche sterben musste. Hedwig musste
von ihren 7 Kindern 6 Kinder zu Grabe geleiten. Als ihr letzter und geliebter
Sohn Heinrich auf dem Schlachtfeld starb und sie im Angesicht der Leiche ohne
Kopf betete: O Gott, ich danke Dir, dass du mir.....
Liebe Hörer, wie konnte Hedwig diese Gegensätze nur
aushalten! Dadurch, dass sie erkannt hatte, Gegensätze muß man durch Gegensätze
heilen, wie es heute noch in der Naturmedizin der Homöopathie üblich ist. Dem
Bösen kann man nur mit Gutem begegnen.
Als man ihre Lebensgeschichte kurz nach dem Tod aufschrieb, stand dort der
Satz: Hedwig wusste, dass die lebendigen Steine, die in den Bau des himmlischen
Jerusalems eingefügt werden in dieser Welt durch Schicksalsschläge behauen
werden müssen.“ Sie sind gleichsam die Prüfschläge für unsere Standfestigkeit.
Denn nur so können wir das Leben gewinnen.“
Lieber Hörer des Gotteswortes,
Es gibt bei dieser Heiligen eine
unglaublich aber doch wahre Erfahrung. Denn je mehr sie sich mit dem Kreuz
Christi vertraut machte, um so mehr wuchs ihre Stärke, Kreuze andere Menschen
tragen zu helfen, indem sie sich den Werken der Nächstenliebe widmete. Diese
Erfahrung kann eigentlich jeder von uns machen. Mir wurde sie auch in den
letzten Jahren in Oberschlesien zuteil. Als ich am 1. Tag in Hindenburg beim
Pfarrer am Frühstückstisch mit dem jungen Kaplan, der ebenfalls dort seinen
Dienst begann, zusammensaß, sprach ich mit dem Pfarrer deutsch, weil ich nicht
polnisch konnte. Da erhob sich der Kaplan feierlich und saget zu uns beiden:
„Warum sprechen sie hier deutsch, wir sind doch in Polen“. Ich antwortete
nichts, dachte mir aber, dieser junge Dachs spricht unüberlegt, nimmt sich das
Recht heraus, uns zu kritisieren. Ich dachte, wie würde ein anderer darauf
reagieren. Nun, ich meine, hier musst du mit dem Gegensatz reagieren, mit Güte.
Ich behandelte den Kaplan freundlich, half ihm und tröstete ihn, als er
plötzlich versetzt wurde. Zwei Jahre später
rief er mich an und wollte mich besuchen. Ganz freundlich erkundigte er sich
nach meinem Befinden und nun ich konnte mit ihm polnisch reden. So hat
es auch die heilige Hedwig gemacht, als
sie aus Bayern in dieses total fremde Land Schlesien kam. Sie lernte die
slawische Sprache ihrer einheimischen Bürger, sie liebte sie und gewann sie so.
Mit Geduld werdet ihr standhaft bleiben können, hatte Jesus gesagt. Die große
europäische Heilige lebte uns Heutigen vor, wie man Gegensätze überwinden kann.