Sankt Barbara-Feierlichkeiten in München
"Von guten Mächten treu und still umgeben"

6. Dezember 2002

Das besonders tröstliche Gebet von Dietrich Bonhoeffer aus dem Kriegsjahr 1944 (1959 vertont von Otto Abel), dargeboten vom Schlesier-Chor München, sollte uns anlässlich der St. Barbara-Festmesse am 06.12. in der St. Jakobskirche auf die zweitägigen Feierlichkleiten zu Ehren der Hl. Barbara einstimmen. Bekanntlich brachten die Oberschlesier diese jahrhundertealte, liebgewordene Tradition der Verehrung der Schutzpatronin der Bergleute nach der Vertreibung aus ihrer Heimat mit in den Westen und sehen seither die Pflege dieses kostbaren Brauchtums als unabdingbare Verpflichtung. In diesem Jahr konnten die Münchener Oberschlesier bereits zum 53. Mal diese Festlichkeiten begehen, die von der 1. Vorsitzenden, Frau Gertrud Müller, wiederum liebevoll vorbereitet und organisiert wurden. Diese Feier des "Hochfestes der Knappen" stellt für die LdO München den Höhepunkt der vielfältigen Veranstaltungen im Jahresverlauf dar. Die traditionelle Verehrung der Hl. Barbara, die auch zu den 14 Nothelfern gehört, bedeutet für die Oberschlesier den Inbegriff der Zusammengehörigkeit und ist ein Bekenntnis der Treue und Liebe zur Heimat.

Der grosse St.Barbara-Festgottesdienst in der St. Jakobskirche begann um 18.30 Uhr. Hauptzelebrant war in diesem Jahr erstmals der bekannte Moraltheologe Prof. Johannes Baptist Gründel (er stammt aus Ullersdorf in der Grafschaft Glatz), Konzelebranten waren der Breslauer Kanonikus, Pfarrer Heinrich Bujok von der Stadtpfarrei Hl. Geist München, Pfarrer Konrad Wersch aus Hindenburg (jetzt Riedenburg), Seelsorger für die deutsche Minderheit im oberschlesischen Industriegebiet, und Pfarrer Josef Scholz, früher Breslau. Der Gottesdienst wurde eröffnet mit dem feierlichen Einzug der Trachten- und Fahnengruppen des Knappenvereins Peissenberg, Geretsried, des Schlesier-Vereins München, der Riesengebirgs Trachtengruppe, Rübezahl's Zwergen und der LdO München, sowie der Zelebranten und Ministranten, angeführt von Diakon Franz Bodynek. Der Schlesier-Chor München und die Blinden Musiker unter der Leitung von Franz L. Schachtner begleiteten die Zeremonie mit festlicher Musik, Landsmann Kaluza spielte wie immer auf der Orgel. Herr Prof. Gründel, der kürzlich sein 50-jähriges Priesterjubiläum feiern konnte und aus diesem Anlass zur Erinnerung das Buch "Berühmte Oberschlesier" überreicht bekam, begrüsste zu Beginn der Hl. Messe die Gläubigen. Herr Pfarrer Wersch brachte in seiner Predigt zum Ausdruck, dass die Hl. Barbara nicht nur von den Bergleuten als Schutzpatronin verehrt werde, sondern weit über die Grenzen hinaus, z.B. auch in Afrika oder im Kaukasus, um Fürbitte angerufen wird. Er sagte, die Bergleute hätten sich ihr in schwersten Zeiten anvertraut und Gehör gefunden, so sollten auch wir uns in Ängsten und Nöten der Hl. Barbara zuwenden. Nach der Hl. Messe folgte die alljährliche Totenehrung am Grab der Sel. Theresa von Jesu Gerhardinger. Der Schlesier-Chor sang das Lied "Von guten Mächten", wir hörten das Trompetensolo "Ich bete an die Macht der Liebe" sowie die Weise vom "Guten Kameraden", dargeboten von Franz L. Schachtner.

Am 07.12. fand abends die weltliche St. Barbarafeier auch in diesem Jahr wieder im voll besetzten Casino der Bundeswehrverwaltung statt. Schon beim Einlass wurden die Damen mit einem Barbarazweiglein bedacht. Frau Hanne Kaleta hatte mit viel Liebe 150 Sträusschen vorbereitet. Das Fest wurde eröffnet mit dem Einzug der Trachten- und Fahnenabordnungen. Herr Josef Henkel trug als Prolog das Gedicht "Kostbares Erbe" vor. Der Schlesierchor unter der bewährten Leitung von Herrn Anton Schneeberger brachte ein Potpourri von alten, neu einstudierten Bergmannsliedern zu Gehör, ein Trompeten-Musikstück, dargebracht von den bekannten Blinden Musikern unter der Leitung von Herrn Franz Schachtner, rundete den musikalischen Auftakt ab.

In ihrer Begrüssungsansprache sagte die 1. Vorsitzende, Frau Gertrud Müller wörtlich: "St. Barbara und Oberschlesien, diese unteilbare Einheit, aus deren unerschöpflichen Quelle wir gestern und heute die Kraft schöpfen, unserer Heimat und damit Land und Leuten zu helfen und altes Kulturgut nicht sterben zu lassen, sondern es mit Leben zu erfüllen, sei es hüben oder drüben." Unsere Heimat - die sich jetzt Polen und Deutsche teilen - entwickele sich zu einer lebendigen Grossfamilie im Hause Europa, in dem sich jede Volksgruppe zum angestammten Brauchtum und zum kulturellen Erbe bekennen und entwickeln könne. Sie richtete auch einen Appell an die anwesenden Gäste, durch aktive oder passive Mitgliedschaft am Erhalt unseres Kulturgutes mitzuwirken und es infolgedessen am Leben zu erhalten, Erbe und Auftrag unserer Vorfahren zu erfüllen und somit eine Brücke zwischen den Völkern zu bauen und Botschafter der Aussöhnung zu werden.

Frau Müller hiess sehr herzlich die anwesenden Ehrengäste willkommen und richtete Grussworte an die Gäste:

Herrn Ministerialrat Bruno Lischke vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Frauen. Herr Lischke ist ein guter Freund der Oberschlesier, Förderer und Befürworter alten deutschen Kulturgutes. Als Anerkennung wurde Herrn Lischke die silberne Ehrennadel verliehen. In seinen Dankesworten sagte er wörtlich: "Mein Herz ist bei den Oberschlesiern, war bei ihnen und wird bei ihnen bleiben." In Vertretung des Generalkonsuls der Republik Polen in München war Frau Henryka Moscicka anwesend. Frau Stadträtin Beatrix Zurek kam in Vertretung des Oberbürgermeisters, ebenso konnten die Vertreter der CSU-Stadtratsfraktion, die Herren Andreas Lorenz und Manuel Pretzel begrüsst werden. Ebenso Herr Dr. Ortfried Kotzian, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens als Mitveranstalter, Herr Bernd Posselt, Mitglied des Europaparlaments, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, Frau Milenovic, Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen Stadt und Land, Herr Jürgen Popp, Kameradschaftsführer des Freikorps Bund Oberland mit Herrn Robel, unsere oberschlesische Geistlichkeit, der Breslauer Kanonikus, Pfarrer Heinrich Bujok aus München und Pfarrer Konrad Wersch aus Hindenburg. Ferner konnten begrüsst werden: Die Ehrenvorsitzenden, Herr Dr. Günther Ossmann mit Gattin, sowie Herr Norbert Kozuscheck, ferner unsere Gäste und Landsleute aus Geretsried unter der Leitung vom Frau Rosa Militzek, Herr Karl Heinz Proba mit Gattin, früher Vorsitzender der LdO Passau, Frau Sieglinde Schneeberger, die geschäftsführende Vorsitzende des Schlesier-Vereins München, Marie Theres Gräfin Strachwitz, geb. in OS, sowie Herr Hähnel mit Gattin. Mit ganz besonders viel Beifall wurden unsere Landsleute aus unserer Heimat Oberschlesien und HGR Sorau begrüsst, die die beschwerliche Reise nach München nicht scheuten, um an unserer Barbarafeier teilzunehmen: Herr Malina, erster Vorsitzender des DFK Hindenburg, Herr Kowolik, Frau Adelheid Sklepinski, die sich um die Landsleute in der Heimat sehr verdient macht und zwei ihrer Heimatgedichte zu Gehör brachte, Herr Leonhard Wochnik und Gattin aus Lubowitz, Herr Mathias Lempart mit seiner Frau aus Mechnitz, sowie den Vorsitzenden aus Gross Kottulin, Herr Niestroj und Herr Lucia.

Die folgenden Ehrengäste ergriffen das Wort:

Frau Beatrix Zurek (früher Gleiwitz), ehrenamtliche Stadträtin, überbrachte ein herzliches "Glück auf" sowie die Grüsse des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt München. Herr Dr. Ortfried Kotzian, seit einigen Monaten Direktor des Hauses des Deutschen Ostens, nahm zum ersten Mal an unserer Barbarafeier teil. Er sagte, er freue sich sehr, gemeinsam mit der KG München den Barbaratag begehen zu dürfen. Dr. Kotzian berichtete, dass er schon vor 20 Jahren Oberschlesien bereist habe, so sei er auch am St. Annaberg gewesen und auf Einladung des Erzbischofs Nossol in Oppeln. Der Aufenthalt in unserer Heimat bedeute für ihn ein unvergessliches Erlebnis und er sei nach all diesen Jahren den Oberschlesiern nach wie vor äusserst verbunden. Die KG München sei im HdO ein stets gern gesehener Gast und er hoffe, dass unsere kulturelle und landsmannschaftliche Tätigkeit im HdO neue Impulse erhalten könne.

Herr Bernd Posselt, Mitglied des Europaparlaments, Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Präsident der Paneuropa-Union Deutschland, gab seiner Freude Ausdruck, wieder einmal an einer unserer Barbarafeiern teilnehmen zu können. Er stattete der 1. Vorsitzenden, Frau Gertrud Müller und der KG München seinen Dank ab für die wunderbaren alljährlichen Feste zu Ehren St. Barbara, sowie für die kontinuierliche Arbeit, die die KG München das ganze Jahr über mit grossem Einsatz leistet. In seiner Ansprache wies er auf die mannigfachen gemeinsamen kulturellen und historischen Bindungen und Verbindungen zwischen Schlesiern und Sudetendeutschen hin. Er betonte auch, die Bemühungen der KG München seien besonders wichtig in einer Zeit, in der Europa im Zeichen der bevorstehenden Osterweiterung dramatischen Veränderungen entgegen gehe. Schlesien sei grenzüberschreitend im europäischen Sinn wieder da! Aber eine Landschaft ohne Leben, ohne Seele und ohne Menschen fände keine Zukunft, deshalb sei es eine so wichtige Leistung, dass auch die LdO durch ihre Gemeinschaft, ihre kulturelle und grenzüberschreitende Arbeit dafür Sorge trägt, dass Schlesien nicht nur ein leerer Begriff oder Name ist, sondern dass Schlesien als lebendige, Nationen verbindende Gemeinschaft bestehe. Unsere Heimatarbeit könne nicht nur als Traditionspflege gesehen werden, sondern sei eine bedeutende Pionierarbeit zur Konstruktion des Hauses Europa.

Auch unsere Gäste vom DFK überbrachten Grussworte: Herr Malina betonte, dass er besonders gerne zu uns nach München gekommen sei. Herr Wochnik überbrachte die Grüsse unserer Landsleute in der alten Heimat. Er betonte, dass die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Oberschlesien mit Hilfe des Vorstandes der KG München unter der Leitung von Frau Gertrud Müller an der Spitze ausgezeichnet funktioniere. Besonders bedankte sich Herr Wochnik bei Herrn Ministerialrat Lischke für seine wohlwollenden Bemühungen um gute Zusammenarbeit. Herr Lischke habe trotz vieler Probleme und Schwierigkeiten niemals "nein" gesagt und immer Mittel und Lösungen gefunden, um den Eichendorff-Verein und damit die Oberschlesische Eichendorff- Kultur- und Begegnungsstätte in Lubowitz zu unterstützen.

Auch Herr Bezirksrat Slezak, Vorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft in München und Vorsitzender der UdV, überbrachte Grüsse seiner Landsleute und wünschte der Veranstaltung einen frohen Verlauf.

Der Kulturreferent der KG München, Herr Alois Henkel, erzählte die oberschlesische Legende vom Bergmann und den Barbarazweigen. Es folgten die Ehrungen für Verdienste um die Landsmannschaft der Oberschlesier:

Die silberne Ehrennadel wurde verliehen an Frau Irene Kurcius. Verdiensturkunden erhielten die nachfolgend aufgeführten Mitglieder: Frau Anita Günther, Frau Magda Sorisch, Herr Wolfgang Klinger, Herr Alfred Staita, sowie Herr Dipl.Ing. Wolfgang Schaffel.

Mit dem Oberschlesierlied und der Bayernhymne wurde der offizielle Teil der Barbarafeier beendet.

Die Volkstänze der Riesengebirgs Trachtengruppe München und der Rübezahl's Zwerge brachten Aufheiterung nach den Vorträgen, die doch unsere ganze Aufmerksamkeit verlangten und leiteten über zu dem fröhlichen Teil des Abends, beginnend mit dem Steigerreigen, angeführt durch die Fahnen- und Trachtenträger. Die Kapelle "Eurosound", die uns schon seit Jahren musikalisich begleitet, spielte bis in die späte Nacht Tanzmusik. Auch die von Herrn Dieter Müller mit viel Mühe organisierte Tombola fand regen Zuspruch. Der Reinerlös kommt den Deutschen Freundschaftskreisen in Oberschlesien zugute.

Dank der Hilfe und Unterstützung durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen über das Haus des Deutschen Ostens in München konnte diese beachtliche Grossveranstaltung der KG München auch im Jahr 2002 wieder durchgeführt werden. Unser Dank gilt an dieser Stelle besonders der Geistlichkeit für die feierliche Gestaltung der Festmesse, den Trachten- und Fahnenträgern, allen Mitwirkenden und allen fleissigen Helfern, die sich für die Vorbereitungsarbeiten zur Verfügung gestellt haben. Der ganz besondere Dank geht an die Vorsitzende, Frau Gertrud Müller, ohne deren grossen Einsatz eine solche Veranstaltung nicht möglich wäre.

Dieses seit Menschengedenken gepflegte religiöse und kulturelle Erbe aus Oberschlesien zu erhalten, sollte uns und unseren Nachkommen jetzt und in Zukunft nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern auch ein verbindlicher Auftrag sein.

   Eva Abdel-Rahman